Ein Weiterbeschäftigungsantrag, der sich auf § 102 Abs. 5 BetrVG stützt, ist im einstweiligen Verfahren nur begründet, wenn ein Verfügungsgrund dargelegt werden kann. Die Eilbedürftigkeit ergibt sich nicht aus der Regelung des § 102 Abs. 5 BetrVG.

Hierzu führte das Gericht aus:

Der Beschäftigungsantrag ist mangels eines Verfügungsgrundes unbegründet. Es ist nicht ersichtlich, dass die Durchsetzung des Beschäftigungsantrags eilbedürftig ist.

Das einstweilige Verfahren erleichtert dem Antragsteller die Durchsetzung seiner Ziele, weil der zu Grunde liegende Sachverhalt nur glaubhaft gemacht werden muss und die Antragsgegnerin allein auf Grund der zeitlichen Beschleunigung des Verfahrens nicht in der Lage ist, in demselben Maße wie in der Hauptsache Verteidigungsmittel in den Prozess einzuführen. Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist deshalb nur begründet, wenn für das Verfahren ein dringendes Bedürfnis besteht und der Ausgang der Hauptsache deshalb nicht abgewartet werden kann (Verfügungsgrund – §§ 935, 940 ZPO).

Der Verfügungskläger begehrt nicht nur eine vorläufige Regelungs- oder Sicherungsverfügung, sondern eine Leistungsverfügung. Hier sind besondere Anforderungen an den Verfügungsgrund zu stellen. Denn die Leistungsverfügung geht, da sie auf die Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs zielt, über eine vorläufige Regelung hinaus.

Das gilt auch für die Durchsetzung eines Weiterbeschäftigungsanspruchs nach § 102 Abs. 5 BetrVG.

Die Durchsetzung des Weiterbeschäftigungsanspruchs nach § 102 Abs. 5 BetrVG im Wege des einstweiligen Verfahrens unterliegt den allgemeinen Voraussetzungen der §§ 935 und 940 ZPO. Das folgt schon daraus, dass der Gesetzgeber in § 102 Abs. 5 BetrVG das einstweilige Verfahren für die Entbindung der Arbeitgeberin von der Beschäftigungspflicht ohne Weiteres eröffnet hat, in Bezug auf den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers aber von einer entsprechenden Regelung abgesehen hat.

Im Hinblick auf die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers enthält § 102 Abs. 5 BetrVG lediglich eine materiellrechtliche Regelung. Unter den dortigen Voraussetzungen wird ein auflösend bedingter gesetzlicher Weiterbeschäftigungsanspruch begründet, der vom Bestand des vertraglichen Arbeitsverhältnisses unabhängig ist. Der gesetzliche Weiterbeschäftigungsanspruch ist nicht anders zu behandeln als der vertragliche Beschäftigungsanspruch im laufenden Arbeitsverhältnis. Auch die gerichtliche Durchsetzung eines vertraglichen Beschäftigungsanspruchs unterliegt den allgemeinen prozessualen Regelungen und bedarf im einstweiligen Verfahren gemäß §§ 935 und 940 ZPO eines Verfügungsgrundes.

Der Zweck der Regelung in § 102 Abs. 5 BetrVG wird durch das Erfordernis eines Verfügungsgrundes nicht konterkariert. Die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Kündigung des Arbeitsverhältnisses soll die Reintegration des Arbeitnehmers in den Betrieb nach gewonnenem Kündigungsschutzprozess erleichtern und damit im Erfolgsfall den Arbeitsplatz faktisch sichern. Ist hierzu die kurzfristige Weiterbeschäftigung erforderlich, besteht ein Verfügungsgrund. Kann dagegen bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zugewartet werden, ohne dass die Abwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb den Erhalt seines Arbeitsplatzes oder seiner Einsatzmöglichkeiten gefährdet, besteht kein Verfügungsgrund.

Der Beschäftigungsantrag im einstweiligen Verfahren bedarf auch dann eines Verfügungsgrundes, wenn er sich auf § 102 Abs. 5 BetrVG stützt.

Der Verfügungskläger hat keine Tatsachen vorgetragen, die die Eilbedürftigkeit seines Antrags begründen könnten. Allein der Umstand, dass der Weiterbeschäftigungsanspruch für jeden Tag der Nichtbeschäftigung gemäß § 275 Abs. 1 BGB verloren geht, reicht hierzu nicht aus. Es ist zu berücksichtigen, dass eine Leistungsverfügung angestrebt wird. Wie auf der einen Seite ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung an jeden Tag der Nichtbeschäftigung für diesen Tag erlischt, so lässt sich auf der anderen Seite eine Beschäftigung auf der Grundlage einer einstweiligen Verfügung nicht mehr rückgängig machen, wenn in der Hauptsache auf Grund des umfassenderen Prozessstoffs entschieden wird, dass kein Anspruch auf Weiterbeschäftigung besteht. Es kommt daher, aber auch im Hinblick auf den Zweck der Weiterbeschäftigung auf die Auswirkungen der Nichtbeschäftigung bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache an.

Zwischen dem mit der Berufung angegriffenen Urteil des Arbeitsgerichts vom 22. Juli und der möglichen Entscheidung in der Hauptsache (hier des Kündigungsschutzverfahrens der Parteien) liegen ca. zwei Monate. Der Verfügungskläger hätte seine Weiterbeschäftigung nach § 102 Abs. 5 BetrVG klagerweiternd im Kündigungsschutzverfahren geltend machen können.

Es ist nicht ersichtlich, dass das Abwarten von zwei Monaten und damit eine zweimonatige Nichtbeschäftigung des Verfügungsklägers in den Sommermonaten seine Reintegration in die Arbeit der Verfügungsbeklagten gefährdet hätte. Das IT-Geschäft mag schnelllebig und die Entwicklung neuer Produkte dynamisch sein. Der Verfügungskläger hat jedoch keine für seine Arbeit erheblichen Entwicklungen genannt, an die er nach zwei- bis dreimonatiger Abwesenheit nur schwer wieder anschließen könnte.

Es kann daher nicht festgestellt werden, dass der Beschäftigungsantrag des Verfügungsklägers dringlich ist. Der Antrag ist mangels eines Verfügungsgrundes unbegründet.

LAG Baden-Württemberg, 17.09.2021 – Az: 12 SaGa 3/21