Die gerichtliche Bestellung des Wahlvorstandes nach § 17 Abs. 4 BetrVG ist ein Notbehelf, auf den nur dann zurückgegriffen werden kann, wenn die Initiatoren einer Betriebsratswahl allen Arbeitnehmern wenigstens die Chance eingeräumt haben, einen demokratisch legitimierten Wahlvorstand zu wählen, und wenn dies gleichwohl nicht erfolgt ist.
Ein Verzicht auf das Erfordernis der vorherigen Einladung zu einer Betriebsversammlung kann dann gerechtfertigt sein, wenn einer solchen Einladung Hindernisse entgegenstehen, deren Beseitigung dem die gerichtliche Bestellung eines Wahlvorstandes Betreibenden nicht möglich oder doch wenigstens nicht zumutbar sind. Dies ergibt sich aus dem gesetzgeberischen Ziel, dass mit der Regelung des § 17 Abs. 4 BetrVG erreicht werden soll, dass möglichst in jedem betriebsratsfähigen Betrieb ein Betriebsrat gewählt wird.
Ein solcher Fall liegt auch dann vor, wenn eine Betriebsversammlung aufgrund coronabedingten Schutzvorschriften nicht abgehalten werden darf. Eine Einladung zu einer von vorneherein rechtlich nicht erlaubten Betriebsversammlung bedarf es nicht. Eine vorherige, von Anfang an ins Leere gehende Einladung zu einer nicht durchführbaren Betriebsvereinbarung ist den die Wahl eines Wahlvorstandes betreibenden Arbeitnehmern nicht zumutbar.
Ist durch infektionsschutzrechtliche Regelungen die Durchführung einer Betriebsversammlung unmöglich oder unzumutbar, ist das Abhalten einer vorherigen Wahlversammlung entbehrlich und der Weg zu den Arbeitsgerichten eröffnet. Es entspricht erkennbar nicht dem gesetzgeberischen Willen, wenn man annehme, in einem solchen Fall könne die Wahl eines Betriebsrates nicht eingeleitet werden.
LAG Nürnberg, 11.03.2022 – Az: 8 TaBV 25/21