Die tägliche Ruhezeit kommt zur wöchentlichen Ruhezeit hinzu, auch wenn sie dieser unmittelbar vorausgeht. Dies ist auch dann der Fall, wenn die nationalen Rechtsvorschriften den Arbeitnehmern eine wöchentliche Ruhezeit gewähren, die länger ist als unionsrechtlich vorgegeben.

Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:

Ein Lokführer, der bei der ungarischen Eisenbahngesellschaft MÁV-START beschäftigt ist, klagt vor dem Gerichtshof Miskolc gegen die Entscheidung seiner Arbeitgeberin, ihm keine tägliche Ruhezeit von mindestens elf zusammenhängenden Stunden (auf die der Arbeitnehmer gemäß der Richtlinie über die Arbeitszeitgestaltung pro 24-Stunden-Zeitraum Anspruch hat) zu gewähren, wenn diese Ruhezeit einer wöchentlichen Ruhezeit oder einer Urlaubszeit vorausgeht oder dieser nachfolgt.

MÁV-START macht geltend, dass ihr Arbeitnehmer durch ihre Entscheidung in keiner Weise benachteiligt werde, da der im vorliegenden Fall anwendbare Tarifvertrag eine wöchentliche Mindestruhezeit gewähre, die mit mindestens 42 Stunden deutlich über der von der Richtlinie vorgegebenen (24 Stunden) liege.

Der Gerichtshof Miskolc möchte vom Gerichtshof unter anderem wissen, ob nach der Richtlinie eine mit einer wöchentlichen Ruhezeit zusammenhängend gewährte tägliche Ruhezeit Teil der wöchentlichen Ruhezeit ist.

In seinem Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass die tägliche Ruhezeit und die wöchentliche Ruhezeit zwei autonome Rechte sind, mit denen unterschiedliche Ziele verfolgt werden.

Die tägliche Ruhezeit ermöglicht es dem Arbeitnehmer, sich für eine bestimmte Anzahl von Stunden, die nicht nur zusammenhängen, sondern sich auch unmittelbar an eine Arbeitsperiode anschließen müssen, aus seiner Arbeitsumgebung zurückziehen. Die wöchentliche Ruhezeit ermöglicht es dem Arbeitnehmer, sich pro Siebentageszeitraum auszuruhen. Folglich ist den Arbeitnehmern die tatsächliche Inanspruchnahme beider Rechte zu gewährleisten.

Wäre die tägliche Ruhezeit hingegen Teil der wöchentlichen Ruhezeit, würde der Anspruch auf die tägliche Ruhezeit dadurch ausgehöhlt, dass dem Arbeitnehmer die tatsächliche Inanspruchnahme dieser Ruhezeit vorenthalten würde, wenn er sein Recht auf wöchentliche Ruhezeit in Anspruch nimmt. Die Richtlinie beschränkt sich nicht darauf, allgemein eine Mindestdauer für das Recht auf eine wöchentliche Mindestruhezeit festzulegen, sondern stellt ausdrücklich klar, dass zu diesem Zeitraum der Zeitraum hinzukommt, der mit dem Recht auf tägliche Ruhezeit verknüpft ist.

Daraus folgt, dass die tägliche Ruhezeit nicht Teil der wöchentlichen Ruhezeit ist, sondern zu dieser hinzukommt, auch wenn sie dieser unmittelbar vorausgeht.

Der Gerichtshof stellt auch fest, dass die im Vergleich zur Richtlinie günstigeren Bestimmungen des ungarischen Rechts über die Mindestdauer der wöchentlichen Ruhezeit dem Arbeitnehmer nicht andere Rechte nehmen können, die ihm diese Richtlinie gewährt, insbesondere nicht das Recht auf tägliche Ruhezeit. Daher muss die tägliche Ruhezeit unabhängig von der Dauer der in der anwendbaren nationalen Regelung vorgesehenen wöchentlichen Ruhezeit gewährt werden.

EuGH, 02.03.2023 – Az: C-477/21

ECLI:EU:C:2023:140

Quelle: PM des EuGH

Der Arbeitgeber ist nicht berechtigt, von ihm gezahlten Kosten des Betriebsrats i.S.v. § 40 BetrVG im Wege der Aufrechnung von dem betroffenen Betriebsratsmitglied zurückzuverlangen, nachdem er die – nicht erforderlichen – Kosten zunächst übernommen hat.

Die Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag gem §§ 677 ff. BGB sind insoweit durch §§ 2 Abs 1, 40 Abs 1, 78 Satz 2 BetrVG verdrängt.

LAG Niedersachsen, 30.08.2022 – Az: 9 Sa 945/21

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung einer personellen Einzelmaßnahme.

Die Arbeitgeberin betreibt ein Mobilfunk- und Telefoniefestnetz. Antragsteller ist der bei ihr aufgrund eines Zuordnungstarifvertrags für die Organisationseinheit „Region Süd“ gebildete Betriebsrat. In dieser Region sind etwa 500 Arbeitnehmer beschäftigt.

Zum 1. Mai 2019 nahm die Arbeitgeberin eine betriebliche Umorganisation vor, in deren Rahmen sie mehrere Arbeitnehmer – darunter auch den Arbeitnehmer M – dem neu gebildeten Arbeitsbereich „Tower (TC)“ zuordnete. Der zuvor in der Abteilung „TDRB-S“ im Bereich „Network Deployment (TD)“ tätige Arbeitnehmer wurde der Abteilung „TCII“ im Bereich „TC“ zugewiesen. Den Betriebsrat beteiligte die Arbeitgeberin hierbei nicht.

Danach übertrug die Arbeitgeberin den Bereich „TC“ mit Wirkung zum 25. Mai 2020 im Weg der Umwandlung durch Ausgliederung auf ein anderes Unternehmen.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, bei der personellen Einzelmaßnahme handele es sich um eine mitbestimmungspflichtige Versetzung iSv. § 95 Abs. 3 BetrVG. Die Maßnahme sei aufzuheben, weil sie ohne seine Zustimmung durchgeführt worden sei. Die Ausgliederung des Bereichs „TC“ stehe dem Aufhebungsbegehren nicht entgegen. Der Arbeitnehmer M sei aufgrund der mitbestimmungswidrigen Versetzung dem ausgegliederten Betriebsteil nicht wirksam zugeordnet worden, so dass sein Arbeitsverhältnis nicht auf eine andere Arbeitgeberin übergegangen sei. Das Vorgehen der Arbeitgeberin stelle zudem einen groben Verstoß gegen ihre betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten dar.

Hierzu führte das Gericht aus:

Der Betriebsrat kann die Aufhebung der personellen Maßnahme nicht verlangen. Dabei kann zu seinen Gunsten unterstellt werden, dass es sich bei der Zuweisung des Arbeitsplatzes an den Arbeitnehmer M in der Abteilung „TCII“ um eine Versetzung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1, § 95 Abs. 3 BetrVG handelte. Diese personelle Maßnahme endete aber mit der Ausgliederung des Bereichs „TC“.

Nach § 101 Satz 1 BetrVG kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine personelle Maßnahme iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG aufzuheben, wenn der Arbeitgeber die Maßnahme ohne seine Zustimmung durchführt. Gegenstand des Aufhebungsverfahrens nach § 101 Satz 1 BetrVG ist die Frage, ob eine konkrete personelle Einzelmaßnahme gegenwärtig und zukünftig als endgültige Maßnahme zulässig ist. Mit der Rechtskraft eines dem Antrag nach § 101 Satz 1 BetrVG stattgebenden Beschlusses wird der Arbeitgeber verpflichtet, den betriebsverfassungswidrigen Zustand durch Aufhebung der personellen Einzelmaßnahme zu beseitigen. Entscheidungen im Aufhebungsverfahren haben nur Wirkung für die Zukunft. Es geht nicht darum, ob die Maßnahme bei ihrer Durchführung betriebsverfassungsrechtlich zulässig war. Der Antrag nach § 101 Satz 1 BetrVG wird daher unbegründet, wenn die antragsgegenständliche personelle Einzelmaßnahme geendet hat.

Das ist hier der Fall. Ein – möglicherweise – gerade durch die ursprüngliche Maßnahme verursachter betriebsverfassungswidriger Zustand besteht daher seit dem Zeitpunkt der Ausgliederung des Bereichs „TC“ nicht mehr fort.

Die – angenommene – Versetzung des Arbeitnehmers M in die Abteilung „TCII“ zum 1. Mai 2019 zeichnete sich dadurch aus, dass dem betroffenen Arbeitnehmer innerhalb desselben Betriebs iSv. § 3 Abs. 5 BetrVG ein anderer Arbeitsbereich zugewiesen wurde. Infolge der Ausgliederung des Bereichs „TC“ zum 25. Mai 2020 auf ein anderes Unternehmen als übernehmenden Rechtsträger gehört dieser Bereich, in dem der Arbeitnehmer seitdem dauerhaft tätig war, aber nicht mehr zum Unternehmen der Arbeitgeberin. Damit endete die personelle Maßnahme, wie sie sich ursprünglich darstellte. Die Ausgliederung des Bereichs „TC“ hatte nicht lediglich zur Folge, dass die ursprüngliche personelle Maßnahme als solche fortbestanden und sich nur ihr früherer Zuschnitt geändert hätte. Die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes innerhalb des Betriebs stellt vielmehr eine grundlegend andere Maßnahme dar, als wäre sie auf eine Tätigkeit außerhalb des Unternehmens gerichtet gewesen. Das zeigt insbesondere der Umstand, dass bei betriebsinternen und unternehmensüberschreitenden Versetzungen völlig unterschiedliche Zustimmungsverweigerungsgründe gegeben sein können. So kann der Betriebsrat – sofern er eine innerbetriebliche Stellenausschreibung nach § 93 BetrVG verlangt hat – ausschließlich bei einer Versetzung innerhalb des Betriebs seine Zustimmung nach § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG verweigern, wenn die Ausschreibung unterblieben ist. Auch der dem Schutz der betriebszugehörigen Arbeitnehmer dienende Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 6 BetrVG kommt bei einer Versetzung aus dem Unternehmen heraus nicht zum Tragen. Zudem können die vom Betriebsrat nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 und 4 BetrVG in den Blick zu nehmenden Belange anderer im Betrieb beschäftigter Personen sowie des betroffenen Arbeitnehmers bei einer Versetzung in ein anderes Unternehmen grundlegend andere sein, als wenn er im Betrieb verbleibt.

Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG kann der Betriebsrat dem Arbeitgeber bei einem groben Verstoß gegen seine Verpflichtungen aus dem Betriebsverfassungsgesetz durch das Arbeitsgericht aufgeben lassen, eine Handlung zu unterlassen. Die Regelung dient dem Schutz der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung gegen grobe Verstöße des Arbeitgebers. Es soll ein Mindestmaß gesetzmäßigen Verhaltens des Arbeitgebers im Rahmen der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung sichergestellt werden, indem der Arbeitgeber zur Erfüllung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten angehalten wird. Ist allerdings eine erneute Verletzung der den Anlassfall bildenden Pflichten aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ausgeschlossen, kann die Sicherstellungsfunktion des § 23 Abs. 3 BetrVG nicht (mehr) erreicht werden. In diesem Fall scheidet ein Unterlassungsanspruch aus.

Danach besteht der vom Betriebsrat geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht. Entsprechende Verstöße sind in der Zukunft nicht mehr zu erwarten. Die Abteilung „TCII“ ist nach Durchführung der den Anlassfall bildenden personellen Maßnahme mit dem Bereich „TC“ auf ein anderes Unternehmen übergegangen. Es ist daher nicht ersichtlich, dass die Arbeitgeberin künftig noch Versetzungen in diesen – nicht mehr zu ihrem Unternehmen gehörenden – Bereich vornehmen wird.

BAG, 15.11.2022 – Az: 1 ABR 15/21

Der örtliche Betriebsrat fordert (i.E. erfolgreich) Auskunft über Arbeitszeiten von Aussendienstmitarbeitern, für die nach einer Gesamtbetriebsvereinbarung Vertrauensarbeitszeit gelten soll.

Hierzu führte das Gericht aus:

Der örtliche Betriebsrat kann vom Arbeitgeber Auskunft über die Arbeitszeiten der Vertriebsaußendienstmitarbeiter insoweit verlangen, als ihm Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, Über- und Unterstunden gegenüber der wöchentlichen Arbeitszeit sowie Sonn- und Feiertagsstunden mitzuteilen sind. Der Anspruch ergibt sich aus § 80 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG.

Nach § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend zu unterrichten zur Durchführung dessen gesetzlicher Aufgaben. Korrespondierend dazu besteht ein entsprechender Anspruch des Betriebsrats.

Vorliegend sind Aufgaben des Betriebsrats gegeben.

Zu den Aufgaben des Betriebsrats gehört die Überprüfung, ob die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen entsprechend § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG eingehalten werden. Die Unterrichtung soll es dem Betriebsrat ermöglichen, in eigener Verantwortung zu prüfen, ob sich Aufgaben ergeben und er tätig werden muss.

Hier beruft sich der örtliche Betriebsrat darauf, die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes, namentlich §§ 5 Abs. 1, 7 ArbZG, überwachen zu wollen.

Die verlangten Informationen sind zur Durchführung dieser Überwachungsaufgabe erforderlich.

Zur Kontrolle der Einhaltung der nach § 5 Abs. 1 ArbZG vorgegebenen Ruhezeiten muss er um Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der Mitarbeiter wissen.

Abweichungen von der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit sind mitzuteilen, um dem Betriebsrat zu ermöglichen, die Einhaltung der von ihm genannten Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden zu überwachen. Demselben Zweck dient auch die Auskunft über Sonn- und Feiertagsarbeit.

Anders als der Arbeitgeber meint, ist für die genannte Überwachung der örtliche Betriebsrat zuständig, der damit auch Inhaber des Auskunftsanspruchs ist.

Die Überwachungsaufgabe des § 80 Abs. 1 BetrVG ist allein an das Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen, namentlich an die Eröffnung des Aufgabenbereichs, geknüpft; vom Vorliegen besonderer Mitwirkungs- oder Mitbestimmungsrechte ist sie – anders, als es das Arbeitsgericht entschieden hat – unabhängig.

Umgekehrt ist nicht der Gesamtbetriebsrat vorliegend deshalb zuständig, weil er die GBV geschlossen hat, deren Durchführung durch die Informationen kontrolliert werden soll. Die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen den auf der Betriebs- und Unternehmensebene errichteten Arbeitnehmervertretungen richtet sich nach § 50 BetrVG.

Dem Gesamtbetriebsrat ist nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nur die Behandlung von Angelegenheiten zugewiesen, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können.

Die Zuständigkeitsverteilung nach dieser Vorschrift betrifft aber nur die im Betriebsverfassungsgesetz geregelten Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte, bei denen Arbeitgeber und Betriebsrat eine Regelungsbefugnis eröffnet ist. Bei Beteiligungssachverhalten, die einer weiteren Ausgestaltung durch die Betriebsparteien nicht zugänglich sind oder einer solchen nicht bedürfen, findet § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG keine Anwendung, so dass es bei der Zuständigkeit des Betriebsrats verbleibt.

Dies betrifft etwa die Geltendmachung von Rechtsansprüchen, die allein vom Vorliegen der im Gesetz bestimmten Tatbestandsvoraussetzungen abhängig sind. Dazu gehört auch die Wahrnehmung des Überwachungsrechts nach § 80 Abs. 1 BetrVG.

Der Betriebsrat entscheidet allein, ob und auf welche Weise er seine Überwachungsaufgabe wahrnimmt. Die gesetzliche Aufgabenzuweisung an den Betriebsrat bleibt bestehen, wenn der Gesamtbetriebsrat im Rahmen seiner Zuständigkeit nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG in einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit eine Betriebsvereinbarung abschließt. Für dieses Verständnis spricht, dass der Betriebsrat nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht nur über die Einhaltung seiner eigenen Regelungen zu wachen hat, sondern auch über die anderer Normgeber. Auf die Frage, ob die Regelungszuständigkeit für die Arbeitszeit der Vertriebsaußendienstmitarbeiter beim örtlichen oder beim Gesamtbetriebsrat liegt, kommt es daher vorliegend nicht an.

Die Erfüllung des Anspruchs ist dem Arbeitgeber, anders als dieser meint, nicht unmöglich. Die Tatsache, dass sie die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer nicht erfasst, steht dem Anspruch nicht entgegen.

In der GBV ist vereinbart, dass die Mitarbeiter im Vertriebsaußendienst innerhalb des festgelegten Arbeitszeitrahmens die Arbeitszeiten selbst bestimmen (Ziff. 5). Eine Arbeitszeiterfassung durch den Arbeitgeber erfolgt nicht; die Mitarbeiter sind allein zur Aufschreibung derjenigen Arbeitstage verpflichtet, in denen sie mehr als acht Stunden gearbeitet haben (Ziff. 8.2.).

Über die Pflicht des Arbeitgebers zur Auskunft gegenüber dem Betriebsrat ist damit jedoch nichts gesagt. Zwar ist eine Information grundsätzlich nur dann zur Verfügung zu stellen, wenn der Schuldner tatsächlich über sie verfügt. Doch gilt dann etwas anderes, wenn der Arbeitgeber die notwendigen Daten nur deshalb nicht hat, weil er sie nicht erheben will. Die Zurückhaltung der Erhebung im Zusammenhang mit der Vertrauensarbeitszeit ist ein Zugeständnis des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern, das nicht das betriebsverfassungsrechtliche Verhältnis zum Betriebsrat beeinflussen kann. Dies gilt umso mehr, als die Informationen jedenfalls bei den Arbeitnehmern liegen und vom Arbeitgeber unschwer beschafft werden können. In einem solchen Fall kann die den Arbeitnehmern versprochene Zurückhaltung dadurch eingehalten werden, dass eine inhaltliche Kontrolle der Angaben durch den Arbeitgeber nicht erfolgen; wie in § 16 ArbZG kann auch hier eine Delegation der Verpflichtung erfolgen.

Ein anderweitiger gesetzgeberischer Wille ist nicht erkennbar: zwar ist der deutsche Gesetzgeber bisher nach dem Urteil des EuGH vom 14.05.2019 (Az: C-55/18), wonach Arbeitgeber gegenüber ihren Mitarbeitern zur Erfassung der Arbeitszeit verpflichtet seien, bisher noch nicht regelnd tätig geworden. Dies schließt aber einen Anspruch des Betriebsrats nicht aus, der nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung schon bisher gegeben war und dessen Sinn, die Arbeitnehmer noch von anderer Seite zu schützen, nicht zu beanstanden ist.

Der örtliche Betriebsrat hat weiterhin Anspruch auf Überlassung der Unterlagen zur Arbeitszeiten, die über die täglichen acht Stunden hinausgehen. Der Anspruch ergibt sich aus § 16 Abs. 2 ArbZG, den Ziff. 8.3. der GBV wiederholt.

Derartige Aufzeichnungen sind vorliegend vorhanden: die GBV sieht in Ziffer 8.2. gerade eine derartige Aufschreibungspflicht der Mitarbeiter vor. Dabei ist eine Delegation der Aufzeichnung an die Arbeitnehmer möglich. Die teilweise geäußerte Kritik an der Aufzeichnungspflicht nach § 16 Abs. 2 ArbZG im Fall von Vertrauensarbeitszeit betrifft nicht die Frage der Aufzeichnung an sich, sondern die, ab welcher Stundenzahl eine Aufzeichnung erfolgen solle, wenn die Tagesarbeitszeit disponibel sei und nicht notwendig acht Stunden betrage. Diese Frage ist vorliegend nicht von den Beteiligten problematisiert worden und durch Ziff.8.2. GBV geregelt.

Der örtliche Betriebsrat hat hingegen keinen Anspruch auf die Überlassung von Unterlagen nach § 11 BV. Die BV gilt nicht für die Vertriebsaußendienstmitarbeiter.

LAG München, 11.07.2022 – Az: 4 TaBV 9/22

Prüft der Wahlvorstand eine eingegangene Vorschlagsliste nicht unverzüglich, sondern stellt er erst nach Ablauf der Einreichungsfrist fest, dass sie einen nicht wählbaren Kandidaten enthält, macht allein dies die Wahl anfechtbar. Erst recht gilt dies, wenn der Wahlvorstand in Absprache mit dem Listenvertreter den nicht wählbaren Kandidaten nachträglich streicht und die Liste zulässt.

Die Nichteinhaltung der Mindestfrist von sechs Wochen zwischen Aushang des Wahlausschreibens und Wahltag nach § 3 Abs. 1 WO macht die Wahl anfechtbar. Bei ausschließlicher Briefwahl müssen mindestens sechs Wochen zwischen Aushang des Wahlausschreibens und Abgabefrist für die Briefwahlunterlagen liegen.

Wahlniederschrift nach § 16 WO und Bekanntgabe der Gewählten nach § 18 WO sind unterschiedliche Dokumente. Wird allein die Wahlniederschrift durch Aushang bekannt gemacht, ist dies aber ausreichend, wenn in diesem Aushang die Namen der Gewählten nach deren Entscheidung über die Annahme oder Nichtannahme der Wahl deutlich erkennbar sind.

In Einzelfällen erscheint es als zulässig, wenn der Wahlvorstand auf die Aufstellung einer Urne verzichtet und für alle Beschäftigten Briefwahl anordnet. Es spricht viel dafür, dass im Hinblick auf die Pandemie im Sommer 2020 nicht davon ausgegangen werden konnte, dass einer Urnenwahl Hindernisse entgegenständen.

Der Wahlvorstand ist nicht verpflichtet, für eingehende Briefwahlstimmen einen Briefkasten oder eine Urne bereitzustellen. Werden die Briefwahlstimmen in der Poststelle in einer offenen Box aufbewahrt, die täglich von einem Mitglied des Wahlvorstands geleert wird, ist dies unschädlich, wenn die Poststelle durchgehend mit hierfür vorgesehenen Mitarbeitern besetzt ist. Erst anschließend sind die Briefwahlstimmen an einem sicheren Ort verschlossen aufzubewahren.

Macht eine Vorschlagsliste, in der Wahlvorstandsmitglieder auch kandidieren, Werbung für diese Liste unter der Verwendung der Bezeichnung „Euer Wahlvorstand“, kann dies die Arbeitnehmer beeinflussen; der Wahlvorstand ist gehalten, unverzüglich alles zu tun, um die Weiterverwendung der Werbung zu stoppen. Unternimmt er nichts, macht dies die Wahl anfechtbar.

Wendet sich der Wahlvorstand als solcher in einer Mail an die Arbeitnehmer, darf diese Mail keine Tendenz enthalten, die als Ablehnung einer Liste verstanden werden kann. Daher sind Erläuterungen, nur wegen der Liste XY sei „der Normalfall“ der Personenwahl nicht möglich, und, man solle bedenken, dass der Betriebsrat nicht nur für einzelne da sei – weil die Bewerber der zweiten Liste vorrangig aus einem bestimmten Kreis von Beschäftigten stammen -, geeignet, die Wähler zu beeinflussen. Auch dieser Verstoß gegen die Neutralitätspflicht des Wahlvorstands begründet für sich die Anfechtung der Wahl.

LAG Nürnberg, 07.03.2022 – Az: 1 TaBV 23/21

Ein Abbruch der Betriebsratswahl kommt nur in Betracht, wenn – bei summarischer Prüfung – die Nichtigkeit der Wahl im Falle der weiteren Durchführung des Wahlverfahrens zu erwarten ist.

Wird in einem Kleinbetrieb das gem. § 14 a Abs. 1 BetrVG zwingend vorgeschriebene vereinfachte Wahlverfahren nicht durchgeführt, hat das keine Nichtigkeit der Wahl zu Folge, sondern lediglich deren Anfechtbarkeit.

Die Verwendung der falschen Verfahrensregeln verstößt nicht offensichtlich gegen die allgemeinen Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl.

LAG München, 20.05.2022 – Az: 5 TaBVGa 2/22

Die verspätete Versendung der Briefwahlunterlagen kann ebenso zur Unwirksamkeit der Betriebsratswahl führen wie die Aufbewahrung der Wahlrückläufer über eine längere Zeitspanne in offenen Boxen.

ArbG Braunschweig, 13.07.2022 – Az: 3 BV 5/22

Die Klägerin war seit Mai 2018 bei der Beklagten, einer Autovermietung, am Flughafen Düsseldorf als Rental Sales Agentin, bei der kein Betriebsrat gebildet ist, beschäftigt.

Am 16.01.2021 erteilte die Beklagte der Klägerin wegen angeblichen Zuspätkommens an drei Tagen eine Abmahnung.

Am 09.08.2021, 11.08.2021, 14.08.2021 und 17.08.2021 stempelte die Klägerin sich zwischen vier bis 22 Minuten zu spät ein.

Gemeinsam mit zwei Kolleginnen lud die Klägerin mit Schreiben vom 20.08.2021 zu einer Versammlung zur Wahl eines Wahlvorstands für eine Betriebsratswahl ein.

Mit Schreiben vom 27.08.2021 kündigte die Beklagte der Klägerin fristlos und hilfsweise fristgerecht (erste Kündigung). Sie begründet dies mit den viermaligen Verspätungen im August 2021 sowie privaten Telefonaten am Counter. Die Klägerin wendet ein, sie habe jeweils am Counter Bescheid gegeben. Es seien bei Arbeitsantritt sämtliche Rechner besetzt gewesen seien, an denen sie hätte einstempeln können. Private Telefonate habe sie nur im BackOffice geführt.

Am 21.09.2021 sollte die Betriebsversammlung in einem Raum im Flughafengebäude stattfinden. Der dafür vorgesehene Raum war wegen der Corona-Beschränkungen für den erschienen Mitarbeiterkreis zu klein. Die Beklagte bot den Wechsel in einen größeren Raum in einem nahe gelegen Hotel an. Dies wurde abgelehnt und die Wahlversammlung fand nicht statt. Die Beklagte kündigte der Klägerin darauf mit Schreiben vom 03.11.2021 erneut fristlos und hilfsweise fristgerecht (zweite Kündigung). Sie warf ihr vor, zusammen mit ihren Kolleginnen absichtlich einen zu kleinen Raum angemietet zu haben. Der Plan sei gewesen, sich selbst zum Wahlvorstand zu wählen, wenn kaum Beschäftigte der Einladung folgen. Sollte dies anders sein, hätte die Gefahr bestanden, nicht die nötige Mehrheit zu erhalten. Es sei für diesen Fall – wie geschehen – der Plan gewesen, die Veranstaltung abzusagen und sich als Wahlvorstand durch das Arbeitsgericht einsetzen zu lassen. Die Klägerin wendet ein, dass der Raum nicht durch sie, sondern den Gewerkschaftssekretär gebucht worden sei. Die Raumkapazität sei ihr und ihren beiden Kolleginnen vorher nicht bekannt gewesen.

Am 09.12.2021 betrat die Klägerin ohne vorherige Absprache mit der Beklagten zusammen mit einer Kollegin den Backoffice-Bereich der Filiale und hängte dort eine neue Einladung zu einer Wahlversammlung aus. Die Beklagte sah in dem Verhalten einen Hausfriedensbruch und kündigte der Klägerin mit Schreiben vom 22.12.2021 erneut fristlos und hilfsweise fristgerecht (dritte Kündigung). Zudem habe sie beim Durchqueren der Filiale Kunden massiv verschreckt. Dem widerspricht die Klägerin.

Das LAG Düsseldorf hat ebenso wie das Arbeitsgericht alle drei Kündigungen für rechtsunwirksam erachtet.

Die Berufung der Arbeitgeberin hatte keinen Erfolg.

Die erste Kündigung war als außerordentliche und ordentliche rechtsunwirksam, weil es einer erneuten Abmahnung bedurft hätte. Es war zu würdigen, dass die Klägerin auch nach der Abmahnung am 16.01.2021 in den folgenden sieben Monaten regelmäßig zu spät kam, ohne dass dies Folgen hatte. Die Warnfunktion der vorherigen Abmahnung war dadurch verbraucht. Bezogen auf die angebliche private Handynutzung am Counter fehlte es von vornherein an einer Abmahnung. Die Beklagte hatte zudem keine nennenswerten konkreten negativen Folgen des beanstandeten Fehlverhaltens aufgezeigt.

Unabhängig davon konnte die erste Kündigung als ordentliche nicht rechtswirksam sein, weil die Klägerin den Schutz als Wahlbewerberin gemäß § 15 Abs. 3a KSchG genoss. Darauf durfte sie sich berufen. Dies war nicht rechtsmissbräuchlich. Die tatsächlichen Anhaltspunkte genügten zur Überzeugung der Kammer nicht, um von dem von der Arbeitgeberin behaupteten Plan auszugehen. Aus diesem Grund war auch die zweite Kündigung mangels Vorliegen eines Kündigungsgrundes unwirksam. Der von der Arbeitgeberin behauptete Plan sei zwar als Möglichkeit denkbar. Dies genügte indes nicht, weil es ebenso möglich war, dass die Klägerin und die beiden anderen Initiatorinnen trotz des tatsächlich zu kleinen Raums den Willen hatten, ordnungsgemäß eine Wahlversammlung abzuhalten. Unabhängig davon läge selbst bei Verfolgung des behaupteten Plans keine zur Kündigung berechtigende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung vor. Der etwaige Verstoß gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten berechtigte nicht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Betreffend die dritte Kündigung liegt an sich ein Kündigungsgrund vor. Als fristlos gekündigte Mitarbeiterin durfte die Klägerin die Räumlichkeiten der Arbeitgeberin nicht mehr betreten, um dort die Einladung aufzuhängen. Sie verletzte damit deren Hausrecht. Die Interessenabwägung fiel indes zu Gunsten der Klägerin aus. Hierbei war zu würdigen, dass die Arbeitgeberin, so die Kammer in der Verhandlung, im Zusammenhang mit dem Versuch der Bildung eines Betriebsrats mit „harten Bandagen“ gespielt hatte. Blieben die Verspätungen der Klägerin sieben Monate folgenlos, erfolgte ca. eine Woche nach Einladung zur Wahlversammlung die fristlose Kündigung. Die anderen beiden Initiatorinnen wurden freigestellt und erhielten Abfindungsangebote. Die Begründung dafür, dass eine der beiden Initiatorinnen ohnehin das Haus verlassen wollte, war nicht nachvollziehbar. Sie hatte nur einen Monat zuvor ihren Vertrag verlängert. Wenn in einer solchen Situation auf Seiten der Arbeitnehmerinnen der Eindruck entstehe, dass beabsichtigt sei, einen möglichen Wahlvorstand aus dem Arbeitsverhältnis zu drängen, sei dies nachvollzieh-bar. Wenn dann die Klägerin trotz fristloser Kündigung nochmals versuche, zur Wahlversammlung einzuladen, rechtfertige dies in der Abwägung aller Umstände keine Kündigung.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen.

Hinweis: Die 8. Kammer hat in zwei weiteren, weitgehend parallel gelagerte Berufungsverfahren betreffend die beiden anderen Wahlinitiatorinnen ebenfalls die den Kündigungsschutzklagen stattgebenden Urteile des Arbeitsgerichts bestätigt und die Berufungen zurückgewiesen (Urteil vom 08.11.2022 – Az: 8 Sa 242/22 und Urteil vom 08.11.2022 – Az: 8 Sa 244/22).

Vorinstanz: ArbG Düsseldorf, 24.02.2022 – Az: 10 Ca 4119/21

LAG Düsseldorf, 08.11.2022 – Az: 8 Sa 243/22
Quelle: PM des LAG Düsseldorf

Es verstößt gegen das Begünstigungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG und führt zur Nichtigkeit der getroffenen Vereinbarung, wenn einem Betriebsratsvorsitzenden ein Dienstwagen auch zur privaten Nutzung überlassen wird, der ihm ohne diese Funktion nicht überlassen worden wäre und auch sonst kein sachlicher Grund dafür ersichtlich ist.

Nach § 78 Satz 2 BetrVG darf ein Mitglied des Betriebsrats wegen seiner Tätigkeit nicht benachteiligt und nicht begünstigt werden. Dies zielt darauf ab, die innere und äußere Unabhängigkeit von Betriebsratsmitgliedern zu wahren. Eine nach § 78 Satz 2 BetrVG untersagte Begünstigung ist jede Besserstellung im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern, die nicht auf sachlichen Gründen, sondern auf der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied beruht.

LAG Nürnberg, 05.04.2022 – Az: 7 Sa 238/21

Betriebsvereinbarungen sind nach ständiger Rechtsprechung wegen ihres normativen Charakters wie Gesetze auszulegen. Auszugehen ist zunächst vom Wortlaut und dem dadurch vermittelten Wortsinn.

Ist der Wortsinn unbestimmt, ist darüber hinaus der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck der betrieblichen Regelungen zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Regelungswerk ihren Niederschlag gefunden haben.

Dabei sind insbesondere der Gesamtzusammenhang sowie der Sinn und Zweck der Regelung zu beachten.

Bleiben hiernach noch Zweifel, so können ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte oder auch eine tatsächliche Übung herangezogen werden. Im Zweifel gebührt der Auslegung der Vorzug, die zu einer gesetzeskonformen, sachgerechten und praktisch handhabbaren Regelung führt.

LAG München, 26.08.2020 – Az: 5 Sa 761/19

Verfahrensgang: BAG – 10 AZR 421/20 (anhängig)