Corona stellte Betriebsräte vor große Herausforderungen

Betriebsrat und Corona

Können Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte aufgrund der derzeitigen Corona-Lage ausgesetzt werden?

Definitiv nein: Nach ganz herrschender Meinung und der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bleiben die Mitbestimmungsrechte auch bei sog. Eilfällen bestehen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass eine Regelung möglichst umgehend erfolgen muss. Der Arbeitgeber darf in diesen Fällen im Bereich der sozialen Angelegenheiten (§ 87 Abs. 1 BetrVG) ohne die Beteiligung des Betriebsrates keine (vorläufigen) einseitigen Anordnungen treffen.

Entsprechend dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit, kann es aber sinnvoll sein, dass der Betriebsrat in Eilfällen unverzüglich eine Sitzung einberuft (ggf. unter telefonischer Ladung). Dies ist etwa denkbar bei dringend gebotenen Regelungen zum Gesundheitsschutz oder zum Ordnungsverhalten im Betrieb. Lediglich bei personellen Einzelmaßnahmen (z.B. dringend gebotene Einstellungen bei plötzlich auftretenden Personalausfall) sind vorläufige arbeitgeberseitige Maßnahmen zulässig.

Allenfalls –– bei sogenannten Notfällen sollen einseitige Anordnungen im Bereich der sozialen Angelegenheiten möglich sein. Notfälle sind plötzlich auftretende, unvorhersehbare und schwerwiegende Ereignisse mit höchstem Gefahrenpotential (z. B. Brand oder Überschwemmung im Betrieb). Die meisten Maßnahmen wegen Corona sind Eil- und keine Notfälle, so dass es sich nicht um einseitige Anordnungen handeln dürfte. Bei der Schließung eines Betriebes durch die behördliche Anordnung von Quarantäne gemäß § 30 Infektionsschutzgesetz besteht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates. Maßnahmen die Folge der Betriebsschließung sind, unterfallen dagegen der betrieblichen Mitbestimmung

Wichtig ist, dass die Betriebsparteien kurzfristige betriebliche Lösungen und Regelungen treffen, um der rasanten Entwicklung der derzeitigen Lage Stand zu halten.

Kann der Betriebsrat weiter Betriebsratssitzungen halten?

  1. Auch in (vermeintlichen oder tatsächlichen) Gefahrensituationen kann der Arbeitgeber dem Betriebsrat grundsätzlich nicht vorschreiben ob, und wann er Sitzungen abhält. Das ergibt sich aus dem sog. Selbstverwaltungsrecht der Betriebsräte. Der Arbeitgeber muss auch in Krisensituationen geeignete Räumlichkeiten für die Sitzungen zur Verfügung stellen. Dies gilt auch im Falle einer etwaigen Betriebsschließung. Dann muss der Arbeitgeber gegebenenfalls Räumlichkeiten außerhalb des Betriebes oder der Dienststelle bereitstellen, wenn die Gefährdungslage dies erfordert.

Inwieweit dies auch von Arbeitgeberseite momentan realisierbar ist, bleibt dahingestellt. Deshalb ist auch hier zu überlegen, ob sich aufgrund der Entwicklungen nicht andere Möglichkeiten finden lassen, wenn es etwa zu Betriebsschließungen kommt. So ist es nicht ausgeschlossen, Betriebsratssitzungen, die dem Informationsaustausch dienen mittels Video- oder Telefonkonferenzen durchzuführen. Allerdings können in diesen Sitzungen keine wirksamen Beschlüsse gefasst werden (siehe FAQ zum Thema Videokonferenz).

Denkbar ist zudem, dass durch die derzeitige Ausbreitung des Corona-Virus einzelne Betriebsratsmitglieder an der Teilnahme an Sitzungen gehindert sind. In diesem Fall sind Ersatzmitglieder zur Sitzung einzuladen. Sofern in der Sitzung mehr als die Hälfte der Mitglieder (unter Einbeziehung der Ersatzmitglieder) anwesend ist, bleibt das Gremium beschlussfähig.

Sind wirksame Beschlüsse von BR, GBR, KBR außerhalb von Sitzungen (Videokonferenz, Telefonkonferenz, Umlaufverfahren) möglich?

Nein. Nach der ganz herrschenden Meinung verbieten der Anwesenheitsgrundsatz sowie das Nichtöffentlichkeitsgebot sog. virtuelle Betriebsratssitzungen. Beschlüsse, die z. B. im Rahmen einer Videokonferenz ergehen, sind nach ganz überwiegender Ansicht unwirksam. Die §§ 33, 51 und 59 BetrVG BetrVG sind zwingend. Dafür, dass vor dem Hintergrund einer Infektionsgefahr andere Maßstäbe gelten könnten, lässt sich zurzeit keine arbeitsrechtlich vertretbare Begründung anführen. Auch Beschlüsse im Umlaufverfahren sind – anders als in den Landespersonalvertretungsgesetzen von Sachsen (§ 35 Absatz SächsPersVG) und Baden-Württemberg (§ 34 Absatz 3 LPVG) – für Betriebsräte Angesichts der bestehenden Ausmaße der Gefährdungslage aufgrund des Corona-Virus ist über Alternativen nachzudenken, die es ermöglichen die Handlungsfähigkeit des Betriebsrates aufrechtzuhalten. Vor dem Hintergrund dieser europaweiten Situation der Ausbreitung des Corona Virus ist es daher denkbar, dass Betriebsvereinbarungen/Regelungsabreden vereinbart werden, die für diesen befristeten Gefährdungszeitraum Ausnahmen formulieren.

So ist erscheint es sinnvoll zu vereinbaren, das strenge Fristenregiment des BetrVG für konkret beschriebene Sachverhalte zu hemmen, bzw. dass die Betriebsparteien auf Einreden/Einwendungen verzichten.

Sollten sich Betriebsräte dafür entscheiden, zukünftig für einen begrenzten Zeitraum keine Präsenzsitzungen durchführen zu wollen, sollten sie vorab einen Beschluss fassen und diesen mit den Arbeitgebern abstimmen. Bei der Beschlussfassung durch die Gremien sind die im Eingang beschriebenen Grundsätze der Nichtöffentlichkeit und des Anwesenheitsgrundsatzes bestmöglich einzuhalten. (Sicherstellung einer sicheren und stabilen technischen Verbindung, jedes Betriebsratsmitglied versichert zu Beginn, dass es sich in einem nicht öffentlicher Raum bei der Konferenz befindet und keine Nichtbetriebsratsmitglieder im Raum sind, Teilnahmecodes müssen verschlüsselt versendet werden und vertraulich behandelt werden.)

Wichtig ist, dass die Betriebsräte aber auch Gesamtbetriebsräte und Konzernbetriebsräte mit dem notwendigen Außenmaß agieren.

Aktuell hat der Arbeitsminister Hubertus Heil eine Ministererklärung. abgegeben. Es ist durchaus fraglich, welchen Nutzen diese Regelung hat. Die Rechtsverbindlichkeit dieser Ministererklärung scheitert bereits am Gewaltenteilungsprinzip.

Ein Ketzer würde fragen: wie kommt denn ein Mitglied der Exekutive (Verwaltung) auf die Idee, eine rechtsverbindliche Erklärung abzugeben, über die nur die Judikative (Gerichte) zu entscheiden hat? Wenn der Gesetzgeber (Legislative) es gewollt hätte, dann hätte sie dem Minister eine Rechtsverordnungskompetenz eingeräumt. Hat die Legislative aber nicht. Insofern ist die Ministererklärung aufgrund der im Grundgesetz verankerten Rechtsstaatlichkeit NICHT RECHTSVERBINDLICH, sondern allenfalls eine Empfehlung.

Auf der anderen Seite: Was ist die Alternative? Ohne die „sehr weite“ Auslegung und der betrieblichen Gestaltung der aktuellen Rechtslage findet Betriebsratsarbeit einfach nicht mehr statt. Wenn man als mit dem AG so etwas wie einen Burgfrieden vereinbart, dann gilt wohl: wo kein Kläger, da kein Richter. Insofern der sehr pragmatische – vom Arbeitgeber nicht erzwingbare Vorschlag zu einer Regelung:

  1. Der Konzern-/Gesamt-/Betriebsrat sowie seine Ausschüsse führt seine Sitzungen bis auf Weiteres durch Telefon-/Videokonferenzen. Das Gremium benutzt hierfür das Werkzeug XYZ. Der Arbeitgeber trägt die Kosten hierfür. Aus der Bereitschaft des Gremiums der vorübergehenden „coronabedingten“ Nutzung kann der Arbeitgeber keinen Anspruch der Nutzung für die Zukunft herleiten, insbesondere vor dem Hintergrund von Kosten. Das Gremium ist in der Entscheidung über die Abschaffung des Werkzeugs frei.
  2. Der Arbeitgeber erklärt, etwaige Mängel in der Beschlussfassung im Zusammenhang mit der Durchführung der Betriebsratssitzung durch Telefon-/Videokonferenz nicht zu rügen und sich auf die Unwirksamkeit (im Rahmen von Urteils-, Beschluss- und Einigungsstellenverfahren) nicht zu berufen.
  3. NUR BR: Die Betriebsparteien vereinbaren, dass aus organisatorischen Gründen im Zusammenhang mit der Betriebsratssitzung per Telefon/Videokonferenz die einwöchige Fristen gem. §§99, 102 BetrVG auf 2 Wochen verlängert wird und die 3-tägige Frist gem. §102 BetrVG auf fünf Tage.

Kann der Betriebsrat Vereinbarungen zu Homeoffice verlangen?

NEIN. Grundsätzlich wird dem Betriebsrat kein Initiativrecht hinsichtlich des „Ob“ der Einführung von Homeoffice zugestanden. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn eine Einführung von Homeoffice ausdrücklich vor dem Hintergrund des Gesundheitsschutzes beantragt wird. Dann ist ein Initiativrecht gem. § 87 Abs. 1 Ziff. 7 BetrVG denkbar. Das ist zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund der Maßnahmen gegen die Verbreitung des Corona Virus in der Tat sinnvoll und notwendig. Schon aufgrund der Schul- und Kitschließungen bundesweit muss dies schnellstmöglich erfolgen.

Sinnvoll ist auch hier, dass der Betriebsrat sich mit dem Arbeitgeber austauscht, um ggf. eine schnelle und zufriedenstellende Lösung zu finden.

Kann der Betriebsrat Vereinbarungen zu flexiblen Arbeitszeiten verlangen?

  1. Der Betriebsrat hat hinsichtlich der zeitlichen Lage der Arbeitszeit ein Mitbestimmungsrecht und damit auch ein Initiativrecht gemäß § 87 Absatz 1 Nr. 3 BetrVG. Grundsätzlich kann der Betriebsrat daher verlangen, dass der Arbeitgeber mit ihm etwa über einen Vorschlag zu flexiblen Arbeitszeiten verhandelt. Kommt eine Einigung nicht zustande, kann der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen, die dann verbindlich entscheidet. Allerdings ist das Mitbestimmungsrecht „verbraucht“, wenn zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber bereits eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit abgeschlossen worden ist. In diesem Fall besteht, solange die Betriebsvereinbarung wirksam ist, kein Verhandlungsanspruch des Betriebsrats. Allerdings ist auch hier aufgrund der bestehenden Gefährdungslage aufgrund des Corona-Virus, davon auszugehen, dass eine Anpassung der Verteilung der Arbeitszeit von beiden Betriebsparteien gewollt wird, um etwa Auswirkungen wie die Kurzarbeit (siehe FAQ zur Kurzarbeit und Hinweis für Betriebsräte zur Kurzarbeit) zu vermeiden.

Jedenfalls sollte der Betriebsrat überprüfen, ob bestehende Arbeitszeitregelungen eine Flexibilisierung zulassen und prüfen, ob eine entsprechende Initiative seinerseits aufgrund der besonderen Lage angezeigt ist.

Kann der Betriebsrat sich gegen die Anordnung von „Zwangsurlaub“ wehren?

Ja, er kann seine Zustimmung zu sog. „Betriebsferien“ oder „Zwangsurlaub“ verweigern mit der Folge, dass der Arbeitgeber die Einigungsstelle anrufen muss, wenn er an seinem Vorhaben festhalten will. Der Betriebsrat hat bezüglich der Urlaubsgrundsätze, des Urlaubsplans und sogar bezüglich der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Beschäftigte ein Mitbestimmungsrecht. Anordnungen von Urlaub ohne Zustimmung des Betriebsrates oder eine diesbezügliche Entscheidung der Einigungsstelle ist rechtlich unmöglich. Die derzeitige Gefährdungslage ändert nichts an dieser Tatsache.

Möglicherweise gibt es aber auch hier und da in Betrieben ein Interesse, gemeinsame Regelungen zu finden, um den Beschäftigten die Möglichkeit zu eröffnen kurzfristig und schneller Urlaub zu beantragen oder zu gewähren, wenn sie das möchten. Der Betriebsrat sollte in seine Überlegung mit aufnehmen, dass zur Vermeidung einer bevorstehenden Kurzarbeit der vorherige Abbau von Urlaubstagen möglicherweise im Interesse der Beschäftigten stehen kann. Deshalb sollte der Betriebsrat gerade in dieser Zeit ein Ohr für die Beschäftigten haben.

Kann der Betriebsrat die Einführung von Kurzarbeit verlangen und kann er ggf. die Einführung von Kurzarbeit verhindern?

Antwort auf beide Fragen: Ja.

Kurzarbeit ist betriebsverfassungsrechtlich eine mitbestimmungspflichtige vorübergehende Verkürzung der Arbeitszeit. Dies bedeutet, der Arbeitgeber kann keine Kurzarbeit ohne Zustimmung des Betriebsrates oder einer Einigungsstellenentscheidung anordnen. Auf der anderen Seite kann der Betriebsrat von seinem Initiativrecht Gebrauch machen und Kurzarbeit verlangen. Können sich die Betriebsparteien in diesem Fall nicht einigen, entscheidet die Einigungsstelle.

Grundsätzlich bedarf diese Entscheidung einer besonnenen vorherigen Prüfung durch die Betriebsräte, ob alle milderen Mittel ergriffen wurden, damit Nachteile für die Beschäftigten verhindert werden können. In jedem Fall ist der Betriebsrat gut beraten, wenn er sich Sachverstand zur Einschätzung der betrieblichen Situation hinzuzieht (vergleiche Hinweise für Betriebsräte zur Kurzarbeit).

Hinzuweisen ist, dass aktuell Verhandlungen zur Erweiterung und Erleichterung der Kurzarbeit bzw. des Kurzarbeitergeldes auf politischer Ebene stattfinden. Es ist damit zu rechnen, dass Mitte der 12. Kalenderwoche, nachdem Spitzengespräche mit den Verbänden geführt wurden, eine entsprechende Verordnung erlassen wird.

Kann der Arbeitgeber Reise und Teilnahme an Betriebsratsschulungen gemäß § 37 Absatz 6 BetrVG untersagen?

Nein, das kann er nicht.

Grundsätzlich entscheidet der Betriebsrat selbst durch Beschluss, ob und welches Betriebsratsmitglied bei einer Schulungs- und Bildungsveranstaltung nach § 37 Absatz 6 BetrVG teilnimmt. Die Veranstaltung muss Kenntnisse vermitteln, die für die Betriebsratsarbeit erforderlich sind. Der Arbeitgeber muss hierüber in Kenntnis gesetzt werden. Das Gesetz regelt nur die Streitfälle, in denen der Arbeitgeber die betriebliche Notwendigkeit in Frage stellt oder die Vermittlung der erforderlichen Kenntnisse anzweifelt.

Der Betriebsrat sollte sich schon aus eigenem Schutzinteresse zunächst die Frage stellen, ob die Fortbildungsmaßnahme zum jetzigen Zeitpunkt durchgeführt werden muss. Oder ob eine Verschiebung auf einen späteren Zeitpunkt möglich und vertretbar ist.

Kann der Arbeitgeber Gewerkschaftssekretären den Zutritt zum Betrieb verweigern?

Nein. Grundsätzlich kann der Arbeitgeber den Zutritt einer/eines Gewerkschaftssekretärin/s nicht verweigern.

Sollte bei einem Betrieb der Zugang von externen Personen bereits verboten sein, so macht es möglicherweise aber keinen Sinn, die verfassungsgemäß geschützten Zugangsrecht von Gewerkschaftsvertretern durchsetzen zu wollen. Das Zutrittsverbot hat in Zeiten von Corona tragende medizinische Gründe, die die/der einer/eines Gewerkschaftssekretärin/s schon aus Eigeninteresse berücksichtigen sollte.

Wenn kein Zutrittsverbot besteht, so ist eine Verweigerung regelmäßig als Behinderung von Gewerkschaftsarbeit zu bewerten und verstoßt gegen Art. 9 Absatz 3 GG.

Quelle

Kann der Arbeitgeber das Tragen von Mundschutz und Handschuhen einseitig verbieten?

Nein. Das war Gegenstand eines aktuellen Verfahrens in Berlin. Der Arbeitgeber kann Mitarbeitern nicht ohne Beteiligung des Betriebsrats verbieten, zum Schutz vor dem Coronavirus Mundschutz und Handschuhe zu tragen. Da der Arbeitgeber nachgab, hat das Gericht keine Entscheidung erlassen – aber die Position des Betriebsrats bestätigt ArbG Berlin 4.3.2020 – 55 BVGa 2341/20.

Kann der Arbeitgeber ein Zutrittsverbot für das Betriebsratsbüro für die Betriebsratsmitglieder verhängen? Besteht ein Einsichts- und Zugangsrecht für alle Betriebsratsmitglieder?

Jedes Betriebsratsmitglied muss in der Lage sein, die Unterlagen des Betriebsrats einzusehen. Dies gilt für Dateien und Dokumente auf Papier. Der Anspruch auf Zugang zum Betriebsratsbüro richtet sich gegen den Betriebsrat als Gremium. LAG Düsseldorf 4.2.2020 – 8 Sa 483/19

Wie kann in der Corona-Krise notwendige Betriebsratsarbeit organisiert werden, wenn Betriebsratssitzungen nicht mehr stattfinden können?

Die aktuell bestehende Situation war in der Bundesrepublik so noch nie da und stellt auch für die Gremien der Mitbestimmung insbesondere Betriebsräte eine besondere Herausforderung dar. Während sie besteht, bleibt Arbeitgebern und Betriebsräten gar nichts anderes mehr übrig, als die Regelungen des BetrVG zugunsten der Arbeitnehmer weit auszulegen. Wo noch Betriebsratssitzungen möglich sind, können Betriebsräte Betriebsausschüssen oder Betriebsratsvorsitzenden erweiterte Kompetenzen für die Durchführung unumgänglicher Maßnahmen zuweisen.

Können Sitzungen nicht mehr stattfinden, sollten sich Betriebsräte auf elektronischem Weg informell darauf verständigen, wer welche Aufgaben durchführen soll und die hierfür notwendige Beschlüsse im Nachhinein fassen. Wichtig ist allerdings die Feststellung, dass alle Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte uneingeschränkt weiter gelten.

Wie können Betriebsräte die Beschlussfähigkeit herstellen, wenn Gremienmitglieder am Coronavirus erkrankt oder in vorsorglicher Quarantäne sind? Was ist, wenn nicht genügend Ersatzmitglieder zur Verfügung stehen?

Es gilt weiterhin der Grundsatz Krank ist krank; auch in Zeiten von Corona. Es muss ein Ersatzmitglied geladen werden, wenn ein Betriebsratsmitglied wegen Krankheit arbeitsunfähig und damit verhindert ist. Genau das gilt auch, wenn durch das Gesundheitsamt eine Quarantäne verfügt wird und deshalb eine Verhinderung vorliegt. Werden durch Corona (bzw. durch andere Erkrankungen) bedingte persönliche Verhinderungen so zahlreich, dass die gesetzliche festgelegte Zahl von Betriebsratsmitgliedern nicht mehr teilnehmen kann, bleibt das Gremium noch solange beschlussfähig, wie die Mehrheit seiner gewählten Mitglieder an einer Sitzung teilnehmen kann (beispielsweise bei einem neunköpfigen Betriebsrat mindestens fünf Personen).

Wie soll bei Betriebsrat mit der Durchführung von Betriebsversammlungen umgehen?

Die Durchführung von Betriebsversammlung gehört zu den Amtspflichten jedes Betriebsrats. Ist sie aufgrund gesundheitlich bedingter Versammlungsverbote nicht möglich, liegt kein Pflichtverstoß eines Betriebsrats vor. Er sollten dann aber die Beschäftigten auf anderem Weg informieren, solange Versammlungen nicht möglich sind.

Was sollten Betriebsräte beachten, um in dieser schwierigen Situation wirksam handeln zu können?

Eine rechtssichere Lösung gibt’s da (leider) nicht. Die Formalien sind klar. Aber: „wo kein Kläger, da kein Richter“. Eine pragmatische Lösung zur Herstellung von Rechtssicherheit wäre aber eine rechtsverbindliche und unwiderrufliche Erklärung des Arbeitgebers, dass er Betriebsratsbeschlüsse, die in der Zeit des Corona-Notstandes gefasst wurden, nicht aus formalen Gründen anfechten bzw. gerichtlich überprüfen lassen wird. Gleiches gilt für fristgebundene Beschlüsse, bei denen Zeitauflauf Zustimmung bedeuten würde. Diese Erklärung müsste auch nachträgliche Beschlussfassungen erfassen, die notwendig sind, um »Notfallentscheidungen« von Ausschüssen oder Vorsitzenden des Betriebsrats später in einer regulären Sitzung bekräftigten zu können.

Dürfen Betriebsräte überhaupt noch ihrer BR-Arbeit nachgehen, wenn „Kurzarbeit Null“ angeordnet ist?

Ja, der Betriebsrat behält seine Aufgaben und muss z.B. über eine Änderung des Urlaubsplans oder die Verlängerung der Kurzarbeit verhandeln. Auch ist der Betriebsrat gefragt, wenn der Arbeitgeber plötzlich einen Personalabbau oder gar eine dauernde Betriebsschließung ins Auge fasst. Die `Kurzarbeit Null` verändert den Inhalt der Arbeitsverhältnisse, nicht aber die Kompetenzen des Betriebsrats.

Wie könnte eine Erklärung des Arbeitgebers aussehen, um unwirksam (in Telefonkonferenzen) gefasste Beschlüsse zu „heilen“?

Hiermit erklären wir als Arbeitgeber in der Firma …………… gegenüber dem Betriebsrat bezogen auf Auswirkungen der Corona-Krise rechtverbindlich und unwiderruflich das Folgende:

  1. Für die Zeit der durch das Corona-Virus bedingten Krisensituation, in der konventionelle Präsenzsitzungen des Betriebsrats wegen bestehender Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Betriebsratsmitgliedern oder aufgrund behördlicher Empfehlungen oder Anordnungen nicht oder nur verbunden mit hohen persönlichen Risiken stattfinden könnten, wird der Arbeitgeber gefasste Betriebsratsbeschlüsse arbeitsrechtlich nicht wegen eines möglicherweise bestehenden Verstoßes gegen gesetzliche Formvorschriften anfechten oder inhaltlich bestreiten. Dies gilt insbesondere für Beschlüsse, die der Betriebsrat im Rahmen von Telefon- oder Videokonferenzen gefasst hat, aber auch für das Fehlen schriftlicher Anwesenheitslisten. Gleiches gilt für nachträgliche Beschlussfassungen des Betriebsrats bzw. für die nachträgliche Bestätigung der in der Krisenzeit gefassten Beschlüsse (siehe hierzu 3.). Als Arbeitgeber werden wir uns in keinem dieser Fälle auf die Unzulässigkeit eines Betriebsratsschlusses berufen.
  2. Als Arbeitgeber akzeptieren wir in dieser Zeit alle Mitteilungen des/der Betriebsratsvorsitzenden zur aktuellen Entscheidungs- bzw. Beschlusssituation des Betriebsrats und werden diesen nicht das Argument entgegenhalten, dass aus unserer Sicht tatsächlich kein rechtlich wirksamer Beschluss gefasst wurde bzw. gefasst werden konnte.
  3. Wir erklären weiterhin, dass wir weder die/den Betriebsratsvorsitzende(n) noch andere Betriebsratsmitglieder wegen während der Krisensituation begangener Verletzungen von gesetzlichen Formvorschriften arbeitsrechtlich belangen werden und dass wir diese Personen insoweit auch von möglichen Haftungspflichten befreien, soweit dies rechtlich möglich ist.
  4. An diese Erklärung halten wir uns für die Dauer der Corona-Krise gebunden, längstens jedoch bis zum …………… Die aktuelle Corona-Krise ist aus unserer Sicht dann als beendet anzusehen, wenn die derzeit aufgrund von staatlichen Vorgaben oder Anordnungen geltenden Einschränkungen der Reise- und Bewegungsfreiheit offiziell aufgehoben sind. Referenz sind für uns im Zweifelsfall offizielle Aussagen des Bundesgesundheitsministeriums oder des Robert-Koch-Instituts.
  5. Die vorstehend beschriebenen Verfahren stellen aus unserer Sicht eine absolute Ausnahme dar und sind kein Präjudiz für die Zeit nach Beendigung der Corona-Krise.

Quelle

Kann der Betriebsrat einer Einstellung von Mitarbeitern im Sinne von §99 Betriebsverfassungsgesetz während andauernder Kurzarbeit widersprechen?

Ja, der Betriebsrat kann gemäß § 99 Abs. 2 Nummer 3 Betriebsverfassungsgesetz widersprechen, sofern neue Mitarbeiter in Abteilungen eingesetzt werden sollen, in denen bereits Kurzarbeit besteht.

Hier ein entsprechender Musterbeschluss:

Sehr geehrter Herr Arbeitgeber,

bezugnehmend auf die beabsichtigte Einstellung von Herrn XY zum XY.4.2020 entsprechend der Anhörung vom XYZ hat der Betriebsrat auf seiner Sitzung vomXY.4.2020 folgenden Beschluss gefasst:

Der Einstellung von Herrn XY wird gemäß § 99 Abs. 2 Nummer 3 Betriebsverfassungsgesetz widersprochen. Der Arbeitgeber beabsichtigt kurzfristig Kurzarbeit für die Mitarbeiter einzuführen. Die Betriebsparteien befinden sich hier in Verhandlungen zu einer Betriebsvereinbarung zu dem Thema. Durch die Einstellung von Herrn XYZ in der Abteilung XY würde es zu einem weiteren Arbeitskräfteüberhang kommen, der Kurzarbeit in einem höheren Umfang für die anderen Mitarbeiter der Abteilung (Name eins, Name zwei, Name drei) bedeuten würde. Da die Kurzarbeit mit einer Minderung des Entgeltes verbunden ist, erleiden die Mitarbeiter dadurch einen sonstigen Nachteil gemäß § 99 Abs. 2 Nummer 3 BetrVG. Dementsprechend war der beabsichtigten Einstellung zu widersprechen.

Wir bedauern keine günstigere Mitteilung machen zu können und verbleibe mit freundlichen Grüßen

Max Mustermann

BRV

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