Die Nichtigkeit der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer kann nur in besonderen Ausnahmefällen angenommen werden, in denen die Voraussetzungen der Wahl nicht vorlagen oder bei der Wahl gegen fundamentale Wahlgrundsätze in so hohem Maße verstoßen wurde, dass nicht einmal mehr der Anschein einer ordnungsgemäßen Wahl vorliegt. Im Regelfall führen Verstöße gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren nach § 22 MitbestG lediglich zur Anfechtbarkeit der Wahl.

Nur in dem Ausnahmefall, in dem für jeden evident ist, dass ein wirksam gewählter Aufsichtsrat nicht besteht, ist die Wahl von Anfang an nichtig. Davon kann bei einer erforderlichen, bewertenden Gesamtwürdigung ebenso wenig ausgegangen werden, wie bei einer erst durch Beweisaufnahme zu ermittelnden Tatsachenfeststellung. Handelt es sich bei den einzelnen Verstößen um Mängel, die jeder für sich genommen zwar die Anfechtung der Aufsichtsratswahl rechtfertigen, nicht aber die Wahl als nichtig erkennen lassen, so kann weder die addierte Summe der Fehler noch eine Gesamtwürdigung zur Nichtigkeit führen.

Eine Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer in Form der reinen Briefwahl stellt einen wesentlichen Verstoß gegen § 74 Abs. 1 S. 1 3. WO MitbestG dar, der jedoch nicht zur Nichtigkeit der Wahl führt, sondern einen Anfechtungsgrund darstellt. Gemäß § 74 Abs. 1 S. 1 3. WO MitbestG wählen die Delegierten den Aufsichtsrat in der Delegiertenversammlung. Die Möglichkeit einer Briefwahl ist im Gesetz für die Delegiertenwahl nicht vorgesehen.

§ 49 3. WO MitbestG regelt die Fälle, in denen die Briefwahl zulässig ist, abschließend.
Die Auszählung der Stimmen der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer über MS-Teams verstößt gegen das Gebot der öffentlichen Stimmauszählung gem. § 79 Abs. 1 3. WO MitbestG. Der Verstoß führt jedoch nicht zur Nichtigkeit der Wahl, sondern stellt einen Anfechtungsgrund dar.

Die Verstöße in Form der Wahl durch eine reine Briefwahl und der Stimmauszählung mittels MS-Teams sind geeignet, das Wahlergebnis zu beeinflussen, weshalb die Wahl auf die Anfechtungsklage für unwirksam zu erklären ist.

ArbG München, 03.03.2021 – Az: 28 BV 216/20